Das Kochbuch von Spitzengastronomen aus der Sternegastronomie ist zu einem absoluten Nischenprodukt verkommen. Investments in solche Titel mit kaum mehr als 4.000 bis 6.000 Exemplaren Auflage sehen die Verlage mehr und mehr als Risikokapital, welches konventionell produziert einfach zu teuer ist. Der Koch/Gastgeber von heute, welcher sich gerne so präsentiert sehen möchte, muss da eigene Wege finden. Mehr und mehr treten diese verlagslosen Werke an die Oberfläche. Zuletzt “Mise en place” von Klaus Schatzmann, “Ole Deele” von Andreas Tuffentsammer oder eben nun “Terroir” von Harald Irka.
Letzterer schafft seinen ganz eigenen Lebenstraum in den Saziani Stub`n. Er verschreibt sich ganz der Verarbeitung von regionalen Speisen und das auf höchstem Niveau. Parallelen zu René Redzepi werden da oft in den Medien gezogen. Der Gault & Millau Österreich überschlägt sich fast in den Bewertungen. Gab es 2012 noch 15 Punkte zu verzeichnen, sind es 2013 schon 16 und ein Jahr später ganze 17 von 20 möglichen Punkten. Dabei ist er mit seinen 25 Jahren wohl kaum als gesetzter Koch zu bezeichnen, der seinen Stil schon längst gefunden hat. Hier ist jemand am Werk, welcher nicht so leicht in eine Schublade zu drücken ist und der es wohl versteht, sich von Jahr zu Jahr neu zu erfinden.
Auszug aus Wikipedia.de vom 08.08.2015
” … Terroir (franz. terroir m. ‚Gegend‘, von lat. terra ‚Erde‘) ist ein ursprünglich aus Frankreich stammender Begriff aus dem Agrarbereich, von dem es keine eindeutige deutsche Übersetzung des dahinter stehenden Grundgedankens gibt.[1] Je nach Interpretation beschreibt Terroir die naturgegebenen Faktoren (Standortfaktoren) eines bestimmten Stückes Land, welche die Eigenschaften der dort angebauten Kulturpflanzen beeinflussen. Diese werden bestimmt vom Zusammenspiel zwischen der kulturprägenden Tätigkeit des Menschen und den Bedingungen der Natur wie (Mikro-)Klima, Geologie, Gelände, Bodenbeschaffenheit und Klima.[2] Der Begriff beurteilt somit weitgehend den Charakter, die Eigenheit und den Wert, der einem bestimmten Gebiet und seinen agrikulturellen Erzeugnissen zugeschrieben wird. …”
Dieses nun erschiene Buch namens “Terroir” versucht nun so etwas wie eine Bestandsaufnahme zu sein. Insgesamt sind hier 60 verschiedene Rezepte gesammelt, je unterteilt in die vier Jahreszeiten. Und man hält sich hier auch nicht mit dem Näherbringen der eigenen Kochphilosophie auf. Gleich nach dem Vorwort von Severin Corti, einem renommierten Journalisten für gastronomische Themen, geht es auch unvermittelt los mit den Impressionen der ersten Gerichte, gefolgt von dessen Rezepten. Gedruckt auf grünem Papier sind die Frühlingsspeisen vom Titel her neumodisch reduziert auf die Hauptbestandteile. So gibt es hier Gänge wie “Bierrettich | Forelle | Karfiol | Kren” oder auch “Kohlrabi | Bergamotte | Piment | Pistazie”. Aber nicht nur das “Wording” ist absolut aufs Nötigste zusammengestrichen, auch auf dem Teller findet hier der Minimalismus statt. Selten findet man hier Materialschlachten und häufig nicht mehr als 5 verschiedene, oft aber auch weniger, Komponenten. Er fokussiert seine Energie somit auf einen finalen Grundgeschmack und nicht viele einzelne Bausteine, die zu einem komplexen und immer wieder wechselndem Geschmacksempfinden führen. Ganz und gar simpel aber dennoch nicht einfach.
Am Ende entsteht durch die richtige Komposition der absolute Genuss. Und den scheint er hier stets zu erreichen auch wenn gleich seine Rezepte allesamt derart geschmälert geschrieben sind, dass man sich fragt, ob es wirklich so wenig bedarf, um so grandios aufzukochen. Die Zubereitungsanleitungen passen auf nicht mal eine halbe Seite, obendrein gibt es gar noch eine Weinempfehlung zu dem einen oder anderen Teller.
Man präsentiert sich hier auch nicht in feiner Hochglanzoptik, ganz im Gegenteil. Hemdsärmelig und robust ist hier das Auftreten. Die je nach Jahreszeit eingefärbten Seiten drängen sich nicht auf. Die Haptik ist griffig und geerdet. Stimmungsvolle Ablichtungen von den eingesetzten Rohstoffen, getrockneten Blüten oder auch Landschaftsimpressionen lassen den Betrachter in dieses ruhige und unaufgeregte Buch eintauchen. Ein Buch ohne Ecken und Kanten aber dafür eines mit sehr intelligenten Gerichten in begrenzter Aufmachung. Dafür spricht auch die im Vergleich zu anderen Stars der Zunft zurückhaltende Darstellung des vermeintlichen Protagonisten namens Harald Irka, der lediglich mit einem einzigen Bild und einem kleinen Absatz ganz hinten Erwähnung findet. Das ist in meinen Augen die richtige Wahl, statt sich immer wieder auf jeder 10. Seite selbst zu feiern. Sowas sieht man heute allzu oft. Der eigentliche Star ist ja das Essen, so auch hier!
Von Harald Irka wird man noch viel hören, der Feinschmecker feiert ihn in seiner aktuellen Ausgabe. Wer jetzt noch sein Buch haben möchte, sollte gewiss nicht zu lange warten. Wer weiß, wie lange man dieses günstige Werk noch haben kann.