Mitten im Sommerloch gibt es unverhoffter Dinge doch noch ab und zu neue großartige Werke in den Buchregalen. Mit dem Kochbuch “Grande Cuisine” von Paul Stradner aus dem Hause Matthaes wird die Sterneküche mit herausragenden Gerichten zelebriert. Heute teile ich mit Euch ein paar Einblicke und meine Sicht auf das Buch.
Grande Cuisine – Eine Momentaufnahme von Paul Stradner
Paul Stradner ist kein Rebell, welcher die Rolle eingenommen hat, sich der frankophilen Küche zu entsagen. Ganz im Gegenteil. Hier wird die typisch französische Küche zu neuem Leben erweckt, das sagt dem Leser schon der Buchtitel.
“Grand Cuisine” ist hier das Programm. Er selbst ist noch ein recht junger Chefkoch. 1981 wurde er in Graz geboren und trat 2012 seine Stelle als Chefkoch im Brenners Park-Restaurant in Baden-Baden an. Schon ein Quartal später gab es die erste große Auszeichnung, der Stern im Guide Michelin. Zwei Jahre später folgte der nächste. Im Gault & Millau ehrte man Paul Stradner 2016 als “Aufsteiger des Jahres”.
Mit seiner Berufserfahrung von gerade einmal zehn Jahren hat er zum Einen bei den besten Restaurants Europas (z.B. bei Jean- Georges Klein & Harald Wohlfahrt) gearbeitet und auf der anderen Seite bereits derart viel erreicht, dass man sich fragen muss, ob es denn schon das Ende der Fahnenstange war. Vermutlich nicht.
Nach einem Jahrzehnt kam der Moment für eine gedruckte Rückschau
Nach dieser Schaffenszeit entschied man sich für alle leidenschaftlichen Hobbyköche und neugierigen, gourmet-affinen Menschen ein Kochbuch zu produzieren, welches Lust auf das Nachkochen bereiten sollte.
Man kommt bei dieser Rezeptsammlung unmittelbar zur Rezeptsammlung, ohne großartige Einleitung oder Erklärung der Kochphilosophie. Hier geht es sofort zur Sache. Ziemlich klassisch, französisch geht es mit den Amuse Bouche los.
Und schon beim Lesen fühle ich mich in eine andere Zeit versetzt.
Das Wording ist so typisch für diese stark von der französischen Kochkunst geprägten Zeit, die für meine Begriffe in Deutschland um die Jahrtausendwende ihre Hochphase hatte, bevor sie erst der molekularen und wenig später der nordischen Küche weichen musste. So lesen sich die Appetitanreger wie zum Beispiel “Trilogie vom Sommersteinpilz” oder die “Trilogie von der Linse” oder die “Trilogie von der Artischocke” fast schon unweigerlich komisch, so lange habe ich derartige Bezeichnungen nicht mehr gesehen. In einer absolut aufs Nötigste reduzierten Speisekartenlandschaft sind solche Bezeichnungen sehr selten geworden. P. Stradner versteht es ebenso, sich auf die heutigen Kommunikationstechniken einzustellen.
Und so folgen ebenso Amuse Bouches wie “Eismeersaibling”, “Roh marinierte Makrele” oder ein “geräucherter Aal”. Vom Arrangement und Umfang könnte man hier schon fast von kleinen Vorspeisen sprechen. Allesamt sehr ästhetisch und eine Mischung aus moderner als auch klassischer Kochkunst. Das äußert sich in der Komplexität als auch filigranen Anrichteweise.
Die Geschichte des Brenners Park-Hotel
Zwischen den Kapiteln, die in “Amuse Bouch”, “Frühling”, “Sommer”, “Herbst”, “Winter” und “Friandise” aufgeteilt sind, wird immer wieder auch ein Blick in die Geschichte des Brenners Park-Hotel gewährt. Anekdoten, Philosophien im Umgang mit den Gästen und eine kulinarische Rückschau werden dem Leser hier feilgeboten.
Nach der Exkursion in die Vergangenheit geht es im Kapitel “Frühling” um die vermutlich beliebteste Jahreszeit der Köchezunft. In dieser Saison kommt man zum ersten Mal nach langer Zeit mit den zarten Gewächsen wie Erbsen, Spargel, Navetten öde Rettich in Berührung. Für jede Saison gibt er dem Kochbegeisterten gleich drei Menüs an die Hand. Diese sind unterteilt in “Menü Paul Stradner”, “Vital Menü” und “vegetarisches Menü”.
4 Jahreszeiten
“Feines von der Jumbo Wachtel” mit Kichererbsencreme mit Gemüse, Joghurt, Keulenragout und Raz-El-Hanout zeigen sofort auf, wo in diesem Buch die Reise hingeht. Hier wird nichts dem Zufall hinterlassen. Die Gerichte sind allesamt sorgsam und bis ins letzte Detail durchdacht. Die Anrichteweise ist höchst präzise und strukturiert. Es wirkt, als sei jeder Gemüsewürfel einzeln mit der Pinzette aufgelegt worden. So dringt ein sehr strukturierter, kontrollierter Arbeitsstil hindurch, der sicherlich höchst komplex im Geschmack und grazil in der Darbietung scheint, hin und wieder aber ein wenig Seele vermissen lässt. Aber das war die französische Haute Cuisine irgendwie schon immer. Ich bin mir auch sicher das jedes dieser Gerichte eine Geschmacksexplosion sein wird.
Nur die besten Produkte
Gerade an den Luxusprodukten wird nicht gegeizt. Sei es eine Wachtel, Morchel, Maibock, Kalbsfilet oder beim Taschenkrebs. Er spielt mit seiner Kombination von edlen Produkten und unter der Verwendung höchstmöglicher Zubereitungspräzision ganz sicherlich in der Championsleague der Köche, wenn es diese denn geben würde. Die “gegrillte Mini- Aubergine mit Burrata” oder der “Babykohlrabi & Wilde Brokkoli” zeugen davon. Auch ist gerade bei diesen vegetarischen Gerichten sichtbar, wie absolut kreativ und stilsicher er im Rahmen eben dieser klassischen Küche mit den Zutaten umgeht.
Kochen jenseits der aktuellen Foodtrends
Wer sich gerne mit dieser Art des Kochens auseinandersetzt und den heutigen Foodtrends in der Spitzengastronomie nichts abgewinnen kann, wird hier sicherlich fündig. Paul Stradners gezeigte Speisen bewegen sich von der ersten bis zur letzten Seite in dieser westeuropäisch angehauchten Aromatik und schwelgen nur selten davon ab. Wem das nicht stört, der wird das Buch lieben. Die meisten seiner 70 Rezepte kommen mit vier bis fünf Komponenten aus. Es gibt aber hin und wieder Speisen, die sind komplexer. So benötigt man für die Herstellung des “Zitronen-Quark-Soufflés” mit Zwetschge, Vanille und Joghurt insgesamt acht Bestandteile. Diese sind in der Zutatenliste gut strukturiert und in der Zubereitung knapp beschrieben. Zum Anrichten gibt es keine Hinweise oder Anmerkungen.
Hier gibt es viel Weiß zu sehen
In der Bildstilistik gibt man sich fernab der gern gezeigten Porzellanparade und richtet die Speisen auf einer indirekt beleuchteten Platte an. Hin und wieder werden aber auch hier ausschließlich weiße Teller eingesetzt, wenngleich auch nur im stets dezenten Umfang. Der Fokus liegt absolut auf den Gerichten, da man so mit vielen Weißflächen im Buch arbeiten kann und es so viel leichter und nicht so gestaucht wirkt. Doch halte ich es selbst für ein wenig zu abstrakt. Das ist aber eine rein subjektive Wahrnehmung.
Fazit
Dieses Buch ist ganz sicher ein sehr Hochwertiges. Das Thema und der Titel des Buches wurden inhaltlich absolut getroffen. Wer klassische, aufgeschlossene Kochkunst sucht, wird hier 100 %-ig auf das Buch der ersten Wahl stoßen. Ich für meine Begriffe vermisse hier und da ein wenig mehr Spielereien bzw. mehr Mut zur Lücke wenngleich ich hier die Kochkünste des Paul Stradners in keinster Weise in Abrede stellen will. Aber ich habe große Schwierigkeiten die eine persönliche Handschrift und den eindeutig identifizierbaren Stil eines P. Stradners zu erkennen. Mir fehlt es ein wenig an Wiedererkennungswert. Ich bin mir aber sicher, dass dieses er mit den Jahren noch weiterentwickeln wird.