Es vergeht kein Jahr ohne ein Werk vom mir sehr geschätzten Heiko Antonienwicz. Zuletzt begeisterte er mit dem „Green Glamour“, einem großartigen Buch über vegetarische Kost auf einem sehr hohen und vor allen Dingen sehr kreativen Niveau. Sein gerade neu erschienenes Kochbuch namens UMAMI ist wieder solch ein Kracher, welcher im Hause Tre Torri verlegt wird. Gerade von diesem Verlag habe ich schon lange nichts mehr in den Händen gehalten. So habe ich nun also zwei gute Gründe, um hier mal genauer drauf zu schauen.

UMAMI – Der fünfte Geschmackssinn
Dieser Geschmackssinn ist in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Das Wissen und die Möglichkeiten, mit diesem Mehr an Information noch bessere Gerichte zu kreieren, ist Ziel dieses Buchs. Heiko stellt zu Beginn fest, dass man eigentlich noch am Anfang der Entwicklung stehe und UMAMI im Grunde genommen lange kein eigenständiges Thema gewesen sei, bis jetzt. Dieses Buch widmet sich dem Potential, welches UMAMI jedem bietet. Es geht dabei stets über die Kombination aus verschiedenen Geschmacksakzenten. Der Einsatz beschränkt sich dabei nicht nur auf Vorspeisen und Hauptgerichte sondern ebenfalls auf Dessertgänge. Ein wesentlicher Aspekt beim Umgang mit diesem Buch ist natürlich auch, dass Heiko es sich nicht nehmen lässt, modernstes Gerät einzusetzen. Will heißen, auch hier wird mit Sous-Vide Techniken, Pacojets und Texturas gearbeitet. Das kann man sicher auch für den häuslichen Gebrauch nutzen, dann mit ein paar Abstrichen, sollte man denn sowas nicht zu Hause haben.
Der Aufbau
Das Buch UMAMI wird nach dem längeren Interview und der Einleitung von Dr. Nikolai Wojtko in der Rubrik der Rezepte in fünf Kapitel eingeteilt. Diese sind je nach UMAMI Intensität aufgebaut. Je nach UMAMI- Gehalt wurden sie in die Stärke I-V untergebracht. Die erste Stufe stellt dabei eine recht moderate UMAMI-Färbung dar, während bei der Stufe fünf von sehr starken Geschmacksnoten ausgehen darf. Jedem der 50 Gerichte gibt man eine Doppelseite bei der der Teller leicht vergrößert dargestellt ist.

Die Gerichte und Rezepte
Was man Heiko wirklich zu Gute halten muss, ist, dass er furchtbar kreativ und immer aufgeschlossen gegenüber Neuem ist. Schaut man sich die Bücher der vergangenen Jahre an, kann man sehr gut erkennen, dass er sich gegenüber Trends und Schwerpunkten, welche immer wieder neu gesetzt werden, offen stellt und daraus Inhalte für die Gastronomen und Hobbyköche stellt, welche in ihrer Art auch Daseinsberechtigung haben.
Er hinterfragt und experimentiert und extrahiert aus seinem dadurch entstehenden Wissensfundus ein Sammelsurium, welches in seiner Art sehr breit aufgestellt ist. So ist es auch bei diesem Werk, welches viele Beispiele für dieses Thema auflistet.
Gerichte wie die „Bohnen mit Ziegenmilch“ oder „Calamansi, Forelle und Tosazu“ bilden den Einstieg in die kraftvolle Welt des UMAMI Geschmacks. Dabei setzt Heiko bei seinen Gerichten auf eine ausgewogene Komplexität, welche durch unterschiedliche Texturen (wie etwa knusprig, cremig, heiß und kalt) und eben auch über die verschiedenen Geschmacksrichtungen geprägt ist.
Das kann man sehr gut an seinem Käsegang „Cheddarcreme, Biercerealien und Chorizochip“ nachvollziehen. Dieses Gericht ist nicht nur optisch ein Gedicht sondern ist durch die luftige Käsecreme, den krachenden Chorizochip, das scharfe Chorizoöl mit der Malzmayonnaise und den knusprigen Biercerealien ein spannender Gang, der es im Munde ebenso krachen lässt.

Eine besondere Stilrichtung gibt es hier nicht. Es gilt hier stets das Konzept der Qualitätsküche. Gute Lebensmittel werden auf bestmögliche Art veredelt und sehr kreativ im Sinne des Hauptthemas UMAMI gekreuzt. Heiko ist mal wieder ein großer Wurf gelungen.
Abgerundet werden die Rezepte zum Schluss mit einer Zugabe aus Grundrezepten, die Darstellung der Tomatenvielfalt, Misovarianten und Salzen.

Photographie & Design
Die Fotos wurden dabei von Torsten kleine Holthaus angefertigt. Dabei setzt man hier auf eine natürliche Perspektive, welche man auch beim Verspeisen einnehmen dürfte. Natürlicher Schatten, kräftige Farben und angenehme Kontraste sind hier Stilmittel, welche dem jeweiligen Gang nicht die Natürlichkeit nehmen.
Die Texte mit der serifenlosen Schrift sind in einer angenehmen Größe gedruckt. Doch empfinde ich den Lesekomfort nicht gerade als angenehm. Man setzt gerade zu Beginn auf viele nahezu absatzfähige Textteppiche, welche sich weder im Design noch in der Funktionalität nach vorne spielen. Setze ich hier beim Durchforsten der Texte einmal vom Lesen ab, so habe ich des öfteren Probleme beim Wiederfinden der Textstelle.
Genau das ist auch der Grund, warum ich Absätze so schätze. Sie bilden eine Abgrenzung zum Sinnzusammenhang oder einem eigenen kleinen Unterthema. Außerdem verhelfen dem Leser beim Navigieren.
Das kann man sehr gut beim Rezeptnachkochen nachempfinden. In diesem Buch sind die einzelnen Schritte der Rezeptzubereitung in einem zusammenhängenden Absatz geschrieben. Für das Nachkochen ist das eher von Nachteil. Da man sich nach jedem Abwenden vom Buch, um in den dort beschriebenen Schritt in die Tat umzusetzen, neu in das Kapitel finden muss.
Das kann bei längeren und komplexen Rezepten durchaus sehr belastend sein, weil man so nicht nur Zeit sondern auch die Nerven verliert. Der Umfang dieser einzelnen Teilrezepte sind an und für sich nicht so lang, doch gibt es hier Zubereitungen, die im Einzelnen mit bis zu acht oder mehr Einzelschritten dargelegt sind.
Fazit
Dieses Kochbuch reiht sich ein, in eine Menge großartiger Werke, welche Heiko Antoniewicz in den letzten Jahren auf den Buchhandel gebracht hat. Er ist vermutlich einer der erfahrensten Kochbuchautoren, die Deutschland vorweisen kann. Dabei stellt er sich stets in den Hintergrund. Seine Bücher sind nicht durchzogen mit zig Portraitaufnahmen oder Selbstdarstellungsversuchen.
Hier geht es in der Gänze nur um das Produkt auf dem Teller und den Werdegang dahinter. So bekommt der Leser eine größtmögliche Leistung für sein Geld, welche wie immer bei Heiko immer in der Championsleague stattfindet. Must have!
PS: Bitte beim nächsten Mal erklären, was Xanthanwasser ist. Nicht jeder Leser weiß das. Merci!
